Logo

Christoph Höschele

RECENT WORKS TEXTS VITA PUBLICATIONS CONTACT

Text von Patricia Grzonka zu Christoph Höscheles Film "Von Steckdose zu Steckdose"

Christoph Höschele: Twentysix Charging Stations


Unsere Städte, unsere Landschaft, unsere Ökonomie werden vom Auto bestimmt – „Österreich ist ein Autoland“, singt der Wiener Beschwerdechor. Das wird sich wohl auch in absehbarer Zukunft nicht so schnell ändern; doch die Zeichen für einen grundsätzlichen Mobilitätswandel sind da. Christoph Höschele nimmt in seiner filmischen Dokumentation „Von Steckdose zu Steckdose“ die Umstellung von fossilen Treibstoffen auf erneuerbare Energie zum Ausgangspunkt einer Erkundung des urbanen Raums, indem er nach den Veränderungen im Stadtbild fragt, die durch die E-Mobilität hervorgerufen werden.

Der Film zeigt in 35 Einstellungen, 35 verschiedene E-Tankstellen in Wien. Der Künstler startete von seinem Wohnort aus zur ersten Strom-Zapfsäule und folgte danach den Anweisungen auf Google maps jeweils zur nächsten weiteren Tankstelle quer durch die Bezirke Wiens. Die neue Zapfsäule ist nichts anderes als eine Steckdose im Hydrantenformat. Das Film-Equipment hat Höschele auf ein Lastenrad gepackt, die Laufzeit einer Tagestour ist abhängig von der Batterieladung der Kamera und der Geräteakkus. So bestimmte der Ökonomie-Kreislauf des (Strom-)Tankens auch die Kapazität des filmischen Inputs. Die Kamera wird an unterschiedlichen Standorten aufgestellt, eine einzige Einstellung ohne Schwenk genügt für die Aufnahme. Was dann passiert, ist dem Moment geschuldet. Kommt ein Auto vorbei? Will es betankt werden? Bleiben Passant:innen stehen? Weht der Wind ein Papiersackerl hoch? Der Blick auf diese Steckdose ist ein Parameter ihres Standorts, der durch die stadträumlichen Situationen definiert wird – mal sind es Bordsteine, an denen die Säule angedockt ist, mal ein weitläufiger Parkplatz hinter einem Supermarkt, mal eine städtische Randzone in der Grünperipherie, hin und wieder ein bekanntes Gebäude oder ein Ensemble, wie die Gasometer in Wien-Erdberg, die 2001 zu Wohnhäusern umfunktioniert wurden – auch sie ein Industriedenkmal einer vergangenen Energieepoche. Ungeschönt und frei jedes touristischen Vermarktungswertes, enthüllt dieses Stadtbild einen Ist-Zustand Wiens, der als Momentaufnahme bereits jetzt Geschichte geworden ist. Es verhandelt Veränderung im Straßenbild und wird irgendwann selbst einmal als ein Dokument eines historischen Umbruchs angesehen werden.

Die konzeptionelle Klarheit von Höscheles Arbeit, die serielle Anordnung nach einem Prinzip, das nicht durch subjektive Präferenzen oder romantische Stadtklischees vorgegeben wird, sondern sich um Energie und Zugänglichkeit dreht, ergibt ein eigentümlich unstilisiertes Wienbild. Der Film stellt die „absichtslose“ Momentaufnahme einer Stadt im Wandel dar. Darin ist nichts beschönigt, keine nachträgliche Bearbeitung vorgenommen. Die „vernakuläre“ Stadt ist ein Motiv, das in den 1970er-Jahren in der Architektur mit Learning from Las Vegas, dem Architektur-Bestseller von Robert Venturi und Denise Scott-Brown erstmals in Erscheinung getreten ist. Der Strip von Las Vegas und seine Werbeanzeigen sind damals als urbanes Zeichensystem mit eigener visueller Sprache, eigener Funktionalität aber auch eigenen Schönheit erkannt worden, die einen bis dahin unbekannten Wert darstellten. Dieser Blick auf das alltägliche urbane Gefüge war unter anderem inspiriert von Ed Ruschas fotografischen Schnappschüssen der Tankstellen entlang dem Highway, der Los Angeles, Ruschas Studienort mit seinem Heimatort in Oklahoma verband, die der Künstler in einem legendären Buch 1962 im Eigenverlag publizierte. „Twentysix Gasoline Stations“ lautete der Titel dieses Fotobandes, der inzwischen Kultstatus erlangt hat. Für Höschele war Ruschas Projekt ein Ausgangspunkt für seine eigene Untersuchung von Twentysix Charging Stations, indem er die Frage nach der kulturellen Veränderung und der Bedeutung der Mobilität auch als sozialen Wandel thematisierte.

Es geht in diesem Film daher auch um den Mythos Tankstelle, der in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geradezu bildkonstituierend geworden ist und der deren Bedeutung als Versorgungsstelle bei weitem übersteigt. Das Motiv eines Orts im Nirgendwo einer US-amerikanischem Landschaft, der nur mit einem mit Benzin betriebenen Kraftfahrzeug überhaupt erreichbar ist, ist die DNA jedes Road-Movies. Die Tankstelle ist ein mythenbeladener Ort, an dem jederzeit Dinge passieren können, welche die Realität der Filmfiguren für immer verändern. Ob diese soziale Funktion auch mit den neuen E-Tankstellen bestehen bleibt, ist allerdings fraglich. Aber es gibt, von Seiten der Mobilitäts-Betreiber zumindest, Bekundungen, die neuen Tankstellen auch mit Shops und Cafés als Nahversorgungs-Hubs auszustatten.

Die neuen schmucklosen Zapfsäulen und die Tankstationen auf den Gehsteigen und Bordkanten der Straßen haben praktisch jeden Reiz von Räumen mit Aufenthaltsqualitäten verloren. Hier findet kein Smalltalk mehr statt, die soziale Komponente ist verschwunden und die Zeichenhaftigkeit der Bauten verloren – vom jetzigen Standpunkt aus sind sie total langweilig. Christoph Höschele hat mit seinem Film ein nüchternes, gleichwohl auch spannendes Filmdokument realisiert, das zwischen meditativ und überraschend oszilliert. Um diese Filmqualität jedoch genießen zu können, muss man bereit sein, sich auf den repetitiven, emotionslosen Bildfluss einzustellen. Dann entfaltet der Film seine poetische Kraft, die jener gleicht, die in der Entdeckung der Langsamkeit steckt.

Patricia Grzonka


---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------



Eröffnungsrede von Markus Wintersberger zu Christoph Höscheles Ausstellungseröffnung

The Alvin Straight Project

Salon Schreinergasse, St.Pölten am 15.Juni 2012

Christoph Höschele kann ich jetzt schon seit 20 Jahren. Ich habe seinen Weg verfolgt, immer wieder sind wir uns begegnet. Ich schätze seine Arbeiten sehr, weil er immer wieder versucht verschiedene Medien und Begrifflichkeiten zusammenzubringen. Wie auch hier. Was sehen wir hier in diesem Raum? Wir sehen einen Traktor, einen kleinen Traktor, den ordnen wir sofort als Gartengerät zu. Wir sehen drei Monitore, wir sehen eine große Projektionswand. Überall sind statische Bilder zu sehen. Bilder von Landschaften, Bilder scheinbar nach vorne, nach hinten, nach links und nach rechts gerichtet. Auch da kann man schon wieder dechiffrieren, dieses Gartengerätobjekt hier mit den Kameras, scheint irgendwie in Korrelation zu stehen mit diesen Blicken die man hier auf diesen Monitoren sowie in der Projektion sieht. Man kann sich jetzt schon im Kopf ein bisschen was zusammenrechnen. Aha, dieser Traktor, ist hier ist also so was ähnliches wie GoogleMaps oder GoogleStreetView. Das ist ja ein zur Zeit sehr aktuelles Thema, was wahrscheinlich jeder auch für sich zuordnen kann. Wie man weiß, Google ist die letzen Jahre mit Autos durch Europa bzw. die ganze Welt gefahren, eben mit solchen Systemen wie hier an diesem Objekt, und hat dabei von allen Plätzen und von allen größeren Straßen Videomaterial aufgenommen und dabei gleichzeitig die Welt kartografiert. Quasi die Welt abgebildet um sie für uns wieder dazustellen. Ähnliches macht jetzt Christoph Höschele hier, aber mit einer ironischen Verschiebung, hin zu einem kleinen Traktor, der ja maximal 5-7 km/h fährt. Mit diesen Gefährt ist er einen Weg, eine Strecke von sich zuhause bei Krems nach St.Pölten abgefahren. Ich glaub die Dauer waren drei bis vier Stunden. Er ist dabei, über Feldwege und kleine Straßen, die Landschaft abgefahren. Das war sicher ein sehr spannendes Erlebnis für ihn, weil man dadurch auch einen ganz anderen Zeitbegriff bekommt, eine andere Verortung auch wieder in seiner eigenen Welt in der man lebt erfährt, während man geduldig hier versuchen muss diese Strecke abzufahren. Was sich hier an Fragen auftut: Ist der Weg das Ziel oder das Ziel der Weg? Was passt da zusammen? Ist es ironisch gemeint was der Künstler uns hier vorführt? Welches Ziel meint er, welchen Weg? Sicher geht es hier auch um Spur und Strecke. Man sieht es auch dort an dieser Karte, die er wie eine Grafik aufgehängt hat.... an der man den gefahrenen Weg noch einmal nachvollziehen kann. Der alte Begriff der Landkarte, der Map, mit der wir uns ja irgendwie in der Welt zurechtfinden.... Wenn wir in eine Straße oder eine Stadt kommen wo wir uns nicht zurechtfinden, das erste was ich heute mache: ich geh auf Google Maps und finde mich zurecht. Das ist relativ neu, das war vor fünf Jahren auf dieser Stufe noch nicht möglich. Früher hatten wir eben diese Landkarten. Nur vielleicht wenn wir uns im Wald bewegen brauchen wir noch immer diese Karten, weil wir uns sonst nicht zurecht finden. Also auch da ist dieses Spiel wieder mit Skizze, Kartografie, wer bin ich in der Welt, wo befind ich mich in der Welt und wie kenn ich mich überhaupt aus oder wie finde ich mich hier zurecht. Es geht sicher auch sehr stark um Bewegung in diesem Projekt, Bewegung als Impulsgeber. Was dabei noch ganz wichtig zu sagen ist, dass dieses Objekt auch interaktiv funktioniert. Das heißt, wenn man sich jetzt auf diesen Traktor daraufsetzt, dann lös ich auch wieder den Prozess der Bewegung aus. Man beobachtet jetzt den fahrenden Protagonisten (oder vielleicht auch sich selbst?) hier mit seinem Strohhut, der auch hier am Objekt hängt. Den kann man sich auch selbst aufsetzen um vielleicht auch noch mehr mit dem Video zu verschmelzen. So ist es jetzt möglich, vorausgesetzt man ist geduldig, die ganze Fahrtstrecke von Krems nach St.Pölten nachzuvollziehen. Schön ist es auch immer wieder dabei den Blick nach links, rechts und zurück zu haben. Gut kann man bei diesem persönlichen Dialog mit der Installation nun hinterfragen: Was ist Spannung, was ist filmische Handlung, wie weit verfolgt man den Protagonisten? Dieser Strohhut im Bild stellt die einzige menschliche Identität dar. Nur ein Strohhut der auf den Menschen verweist und dadurch eine ganz subtile ironische Brechung wiederum darstellt. Interessant ist auch zu sehen, das hier die Topografie im Sinne des Videos nicht mehr nachvollziehbar ist weil sich die Kamera immer in der selben Achse und in der selben horizontalen Dynamik mit dem bewegenden System befindet. Dadurch merkt man nicht wirklich ob es bergauf oder bergab geht. Das merkt man nur bei einer Geschwindigkeitsveränderung des Systems, also wenn es auf einmal plötzlich beschleunigt, dann weiß man es geht wohl bergab. Das ist auch ganz interessant zu beobachten. Vielleicht ähnlich wie im Weltraum wo man ja auch keinen Bezug mehr zu den anderen Räumlichkeiten wahrnehmen kann. Persönlich finde ich diesen Effekt sehr spannend und gelungen, und auch interessant nachzuvollziehen. Ich bitte darum das auch selbst hier ausprobieren, es macht Spaß hier mit dem Traktor durch die Landschaft zu fahren. Zuletzt noch der Verweis auf David Lynch. Es gibt einen Film von aus dem Jahr 1999, das war wohl auch so eine Ausgangsspur von Christoph Höschele. Der Streifen heißt auch „The Straight Story“; da geht’s darum, das ein alter, sehr kranker Mann in Amerika seinen Bruder besuchen möchte, aber natürlich keinen Führerschein mehr hat weil er nicht mehr sehtauglich ist. Jetzt hat er aber so einen Traktor, den er für diese Reise zu seinem Bruder umbaut, also mit einem Anhänger für Proviant und Zelt versieht. Damit macht er sich dann auf den Weg - 640 Meilen mit dem Rasenmähertraktor zu seinem Bruder. Dieser Stoff wird von David Lynch in einem Roadmovie relativ unspektakulär und relativ langsam dargestellt. Lynch löst ja in uns eher so befremdliche Welten aus, das aber ist eher ein Film der versucht, dieses Befremdliche an einer ironischen Brechung darzustellen. Den Protagonisten hat es auch wirklich gegeben, der hat auch Straight geheissen, nämlich Alvin Straight. „The Straight Story“ ist damit auch doppeldeutig. Straight im Sinne von geradlinig und Straight auch im Sinne, das dieser alte Mann so geheißen und tatsächlich auch diese Reise durchgeführt hat. Nun wünsche ich Ihnen viel Spaß beim ausprobieren, beim herumfahren, beim Lenken und beim Schauen nach vorne nach hinten nach links und nach rechts. Danke.

---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------



Text von F.E. Rakuschan über Christoph Höscheles Installation

Blainville-Crevon - Neuilly-sur-Seine

Was seine Nachfahren, der Künstler/innen-Generation nach 1945, bei aller Faszination am Meister besonders zur Kritik veranlasste, war Marcel Duchamps Verhältnis zur Gesellschaft ganz allgemein. Egal wie er auch an den Traditionen der Kunst gerüttelt haben mag, Duchamp bleibt einer Kultur privilegierter Klassen verhaftet, praktiziert eine Kunst für Snobs und Dandys, und ist in seiner „Systemkritik“ lediglich kunstintern geblieben - so der Tenor seiner jungen Ankläger aus der Fluxus-Bewegung. Unbestritten hat sich Duchamp bspw. von dem vermögenden Kunstsammler Walter Arensberg ein Atelier in New York zur Verfügung stellen lassen und alle Vorzüge seines Mäzens genossen. In der Wohnung der Arensberg, in der westlichen 67. Straße am Central Park, hatte er Gelegenheit mit Intellektuellen zusammenzutreffen, mit Personen aus Wissenschaft und Kunst, wie bspw. Francis Picabia, Albert Gleizes, Man Ray, Mina Loy, Edgar Varése, Arthur Davis oder Beatrice Wood. Fraglos eine hand-feste Alternative zur bloßen Schufterei mit der Kunst ist es auch, wenn sich etwa die Baronin Elsa von Freytag-Loringhoven mit Vorliebe ihrer Kleider entledigte, um als Ready-made zu fungieren oder die Dichterin Mina Loy sich zusammen mit Duchamp, Beatrice Wood, Arlene Dressler und Charles Demuth von der Abendgesellschaft verabschiedete, um im nebenanliegenden Atelier von Duchamp dem Gruppensex zu frönen.

Demnach genug Gründe für Christoph Höschele, sich Duchamp und noch anderen Kunstmythen zuzuwenden. Der Weg zwischen Marcel Duchamps Geburtsort Blainville-Crevon (Normandie) und dem Sterbeort Neuilly-sur-Seine (Paris), sowie seine ready-made Arbeit Roue de bicyclette waren ihm dabei Inspiration und konzeptionelle Eckpunkte für seine Installation. Als Vorarbeit fuhr Höschele im Mai 2007 mit einem mit Videokameras ausgestatteten Fahrrad innerhalb von zwei Tagen von dem verschlafenen Bauerndorf Blainville-Crevon durch die Normandie und Ile de France nach Neuilly-sur-Seine, einem Nobelvorort von Paris. Für die zirka 150 Kilometer lange Strecke, die in einer malerischen Landschaft ihren Ausgang nimmt und in einem urban industriellen Ambiente endet, wählte er jeweils die Rathäuser beider Orte als Start- und Zielpunkt. Über zwei am Fahrrad montierte DV-Kameras dokumentierte der Künstler die gesamte Fahrt samt aller Weg-, Wetter- und Leistungsunregelmäßig-keiten. Während eine Kamera am Lenker befestigt und nach vorne gerichtet war, zeichnete die am Gepäckträger montierte Kamera den Rückblick der Fahrt auf. Die beiden so entstandenen Videos haben je eine Dauer von neun Stunden.

Im Präsentationsformat Installation fungiert ein Nachbau von Duchamps Roue de bicyclette als Interface. Das bekannte Fahrradrad auf dem Hocker wurde lediglich durch ein Kamera-Stativ ausgetauscht. Durch Drehen des Rades können die Betrachter ganz nach Belieben durch das gesamte Videomaterial navigieren: vom Start bis zum Ende der Fahrt, vorwärts oder rückwärts, schnell oder langsam oder das Videobild für detaillierte Betrachtung überhaupt anhalten. Bei aller Ansammlung von Kunstmythen, hat Höschele mit einer Understatement-Rhetorik auch noch den Mythos von einer interaktiven und partizipativen Medienkunst mitreflektiert.

F.E. Rakuschan